Das Jurahaus - warum braucht es einen Verein, der es schützt? 

 

Der Jurahausverein wurde 1984 gegründet, zu einer Zeit, als Jurahäuser den Ruf hatten, für ein ärmliches, feuchtes und rückständiges Wohnen zu stehen. Reihenweise wurden jahrhundertealte Jurahäuser abgebrochen und durch nichtssagende Neubauten, meist in schlechter Qualität, ersetzt. 
Dabei sind die Jurahäuser ein wertvoller baugeschichtlicher Schatz und gehören zum qualitätvollsten, was bäuerliche Architektur europaweit je hervorgebracht hat. Aus Bruchsteinen gemauert, massiv mit dicken Mauern oder als Fachwerkhaus, mit relativ kleinen quadratischen Fensteröffnungen, die aber aufgrund ihrer Anzahl eine gute Belichtung der Räume ermöglichen, oft handbehauenen Balken und mit dem flachen, selten mehr als 30 Grad steilen Dach, das mit Kalkplatten - oft auch als Legschiefer bezeichnet - oder bei steileren Dachneigungen mit Zwicktaschen gedeckt ist: Häuser wie aus der umgebenden Landschaft geschnitten, massiv, gedrungen, schnörkellos. Mit Materialien aus der Umgebung, neben dem Stein Holz für Fußböden, Decken und Dachstühle, Lehm für die 
Zwischendecken, Kalk für Putz und Farbe. 
Jurahäuser haben eine Jahrhunderte lange Lebensdauer, regelmäßiger Unterhalt vorausgesetzt. Sie sind ein Kulturerbe von europäischem Rang. Das Kalkplatten- und Zwicktaschendach ist die einzige historische Dachlandschaft, die nur hier und sonst nirgendwo zu finden ist. Jurahäuser sind seit dem 12. Jahrhundert belegt und waren bis 1953 der in der Altmühlregion dominierende Baustil. 
Dann begann das große Sterben. Eine Liberalisierung der Bauvorschriften sowie steigende Arbeitskosten, die die zeitaufwendige Gewinnung und Verlegung der Kalkplatten stetig verteuerten, waren nur zwei Gründe für die weitgehende Vernichtung dieser einmaligen Hauslandschaft. Wichtiger waren vielleicht die fehlende Identifikation der Menschen mit ihrer Region - im Bereich Eichstätt z.B. schielte man nach Oberbayern, was zu den berüchtigten Jodelstil-Neubauten führte - und der Bruch mit der eigenen Geschichte, der das Erbe vergangener Generationen als überholt und wertlos erscheinen ließ. 
Der Jurahausverein, der mittlerweile 750 Mitglieder zählt, bemüht sich, die Reste dieser großartigen Hauslandschaft zu retten. Den Begriff "Inwertsetzung", ein Begriff aus Ökonomie und Betriebswirtschaft, verstehen wir durchaus in einem doppelten Sinn: Neben dem ökonomischen Wert geht es auch um den ideellen, um die Wertschätzung eines einmaligen kulturellen Erbes, einer Verortung der Bevölkerung in der eigenen Geschichte und Heimat, der Identifikation in einer globalisierten Welt. Noch immer gibt es wunderschöne Jurahäuser und mächtige Jurastadel. Aber viele sind dem Verfall preisgegeben, durch fehlendes Wertbewusstsein, mangelnde Fantasie, was die Nutzung angeht, und durch den Funktionsverlust der Landwirtschaft. Wir beraten die Eigentümer denkmalgeschützter Gebäude vor Ort, helfen ihnen mit den ersten Schritten zur Sanierung und betreiben unermüdlich Öffentlichkeitsarbeit, um den Menschen in der Region den enormen Wert ihrer einmaligen Häuserlandschaft bewusst zu machen. Unsere jährliche Besichtigungsreihe "Tage der offenen Jurahäuser", bei der Haubesitzer ihre instand gesetzten oder noch in der Sanierung befindlichen Jurahäuser öffnen, zieht regelmäßig mehrere Tausend Besucher an. Auf Denkmalfahrten mit politischen Entscheidungsträgern vermitteln wir über positive Beispiele Anstöße zum besseren Schutz der Jurahäuser. Immer wieder wurde die Instandsetzung von Jurahäusern von höchster Stelle ausgezeichnet, durch die Hypo-Kulturstiftung, die bayerische Denkmalmedaille, oder den Staatspreis für regionale Förderung im Rahmen des Dorferneuerungsprogramms. Umso erstaunlicher ist es, dass das Potenzial der Jurahäuser als touristisches Alleinstellungsmerkmal bisher keine Berücksichtigung fand, weder in den Informationen des Naturparks noch in touristischen Konzepten. In Teilen der Bevölkerung und bei manchem Politiker, der zunächst nicht viel übrig hatte für das "alte Glump", ist uns ein Gesinnungswandel gelungen. Aber noch immer sind viele Häuser bedroht, durch Abriss, aber auch durch Verwahrlosung.

Merkmale des Jurahauses 

Hier stütze ich mich vorwiegend auf die Veröffentlichungen und Forschungen von Konrad Bedal, dem Leiter des Freilandmuseums in Bad Windsheim, das eine Reihe von Jurahäusern aufgebaut hat, sowie der Hausforscher Wolfgang und Walter Kirchner und Otto Eichiner. 
Es wird gelegentlich behauptet, Jurahäuser wären in ihrer Eigenart nicht zu definieren. Diese Behauptung liegt in der Tatsache begründet, dass sie etwa 800 Jahre lang gebaut und in dieser langen Zeit natürlich auch konstruktiv verändert wurden, den jeweiligen baumeisterlichen Fähigkeiten, Wohnbedürfnissen und modischen Vorstellungen folgend. Dennoch ist es nahezu für jedermann möglich, über den Augenschein ein Jurahaus als solches zu erkennen. Das Jurahaus definiert sich zunächst über sein flach geneigtes, mit Kalkplatten gedecktes Dach mit dem für die schwere Steindeckung erforderlichen mächtigen Dachstuhl, den meist fehlenden oder geringen Dachüberstand, aber auch über die relativ kleinen, nahezu quadratischen Fenster und die schnörkellose Fassade. In der Summe seiner Merkmale ist das Jurahaus eindeutig erkennbar. 

Verbreitung: Die Altmühlalb 

Es gibt die Jurahäuser, außer in Unter- und Oberfranken, in allen bayerischen Regierungsbezirken, allerdings nur im Umgriff des Altmühljura. Das Verbreitungsgebiet umfasst die Landkreise Eichstätt und Weißenburg-Gunzenhausen als Kerngebiete sowie die Ränder der Landkreise Donau-Ries, Neuburg-Schrobenhausen, Roth, Neumarkt, Regensburg und Kelheim. Der Radius wird durch die Steinbrüche bestimmt: An einem Tag mussten die Steine aufgeladen und mit dem Ochsenkarren an den Bestimmungsort transportiert werden. Meist wird hier eine Entfernung von 25 km angegeben. Die wichtigsten Steinbrüche lagen bei Solnhofen/ Mörnsheim im fränkischen Teil des Altmühltals, bei Eichstätt, bei Kelheim und Eining, sowie kleinere Abbaugebiete bei Painten/Jachenhausen, Zandt und Böhmfeld/Westerhofen. Es ergibt sich ein Verbreitungsgebiet von ca. 100 km Länge und 50 km Breite, im Wesentlichen das Altmühltal, die Donau bei Regensburg, der Unterlauf von Naab, Schwarzer Laaber und Vils sowie die jeweils angrenzenden Hochflächen. Die Schieferplatten gehören geologisch in die Schicht Jura, Malm Zeta b, ebenso wie die etwas älteren Bankkalke, der sog. Juramarmor. Sie werden im Tagebau abgebaut und noch heute mit der Hand gespalten. Der Fachmann prüft dabei über den Klang, ob die Platte einwandfrei ist: Ein heller Klang bedeutet eine rissfreie, gute Qualität. 

Das Jurahaus deckte die Bedürfnisse aller Sozialschichten ab, vom kleinräumigen Tagelöhner- oder Hirthaus bis zum repräsentativen Gasthof oder reichen Mülleranwesen. 
Ergänzt wurden die Wohngebäude von mächtigen Jurastadeln auf den Dörfern und in den Vorstädten, mit beeindruckenden Spannweiten der Balken und Innenräumen von hoher Ästhetik. Die Steindächer schmückten arme Kleinbauernhäuser und Korbhäuser ebenso wie reiche Wohnhäuser wohlhabender Bauern, Stadel genauso wie Außenkeller und Backöfen. Mit den historischen Bürger- und Handwerkerhäusern besitzen heute die Städte und Märkte des Altmühljura im Vergleich zu den Dörfern den größeren Anteil an Jurahäusern. 


Verbreitungsgebiet der Jurahäuser, Bedal (1)


800 Jahre Geschichte 

Aufgrund archäologischer Grabungen konnte Karl-Heinz Rieder ein Kalkplattendach in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts datieren. Ein Kalkschieferbruch ist für 1216 belegt. In Eichstätt ist für 1330 der Zoll für ein "Fuder Dachsteine" schriftlich festgehalten. Zu den ältesten Gebäuden gehörte das abgebrochene Anwesen Westenstr. 25 (Pirckheimer-Haus) in Eichstätt, im Kern von 1334, das noch das originale Dachwerk besaß, sowie das Café Paradeis in Eichstätt (im Kern 1313). In Eichstätt lassen sich sogar Hausteile des späten 13. Jahrhunderts nachweisen, die schon bauzeitlich Steindächer hatten. Das Dietfurter Rathaus stammt von 1479. 
Bereits im 14. Jahrhundert war das Kalkplattendach weit verbreitet und ersetzte Zug um Zug die älteren und lange Zeit daneben existierenden Steildächer. In den Städten gab es das Ziegeldach für repräsentative Bauten und Kirchen, auf den Dörfern war das Steindach die absolut vorherrschende Dachdeckung mindestens seit dem 15.Jhdt. Es gibt nirgendwo in Süddeutschland so viel bis ins Spätmittelalter zurückreichende Bausubstanz, was für die Feuersicherheit der Dächer ebenso wie für die Zeit überdauernde Qualität spricht.

 

Konstruktive Merkmale 


Das Jurahaus ist über sein Dach definiert, das es einmalig macht. Daneben gibt es eine Reihe von Merkmalen, die die Zeiten überdauert oder sich mit diesen verändert haben. 

Im späten Mittelalter war für Häuser und Scheunen ein Innengerüst üblich, das bedeutet, das gesamte Haus einschließlich des Dachwerks wurde von zwei Innenständerreihen getragen, die in der Regel mit den Traufständern eine neunfache Aufteilung des Hauses bedingten: Säulenreihen, angeordnet um einen Mittelflur, den sog. Tenner, die vom Erdgeschoß bis ins Dach reichten und auch das Dach trugen, so dass keine eigene Dachkonstruktion notwendig war. Ein Beispiel hierfür ist das von 1365-68 errichtete Taglöhnerhaus aus Marienstein, das ins Freilandmuseum Bad Windsheim transferiert wurde. Daneben gab es schon ab 1440 den Fachwerksbau mit eigenem Dachgerüst. Das Fachwerk war mit Lehm oder später mit Bruchsteinen gefüllt. 
Ab Mitte des 16. Jhdts. gab es im ländlichen Bereich immer mehr Massivbauten, beginnend mit dem Erdgeschoß der Großbauernhöfe; ab der 2. Hälfte des 19. Jhdts. setzte sich überall der Massivbau mit Bruchsteinen durch, Fachwerksbauten wurden verputzt und damit optisch "versteinert". Die Massivbauten haben kaum mehr Dachüberstand, der bei Holzkonstruktionen durchaus vorhanden war. Mit den Massivhäusern entsteht die gedrungene kubische, südländisch anmutende Form, die wir heute als typisches Jurahaus betrachten.


Der Stoffelbauernhof der Familie Klötzel in Grampersdorf, Bauzeit 1719

Funktionaler Grundriss 

Der Grundriss ordnete sich allermeist um den zentralen "Tenner", der vom Hauseingang bis zur Rückwand des Hauses führte, wo häufig die Stallräume lagen. Der Eingang konnte giebel- oder traufseitig sein, letzteres besonders im Gebiet zur Donau hin. Stube und Küche waren hintereinander angeordnet. Die Form des Grundrisses war meist, bedingt durch die ursprüngliche Innengerüstkonstruktion, quadratisch, die Räume zunächst annähernd gleich groß. Später wurde die Stube vergrößert, was nur möglich war, nachdem die Dach tragende Konstruktion aufgegeben worden war und zunächst der Dachstuhl, später jedes Stockwerk eine eigene Holzkonstruktion erhielt. Durch Einziehen eines Kniestocks konnte zusätzlicher Raum, z.B. für Gesindekammern, geschaffen werden, die sich dort schon ab 1457 nachweisen lassen. Auch im Fachwerksbau erfolgte später eine Trennung der Geschoße, oft fand sich Fachwerk dann nur noch im Obergeschoß oder Kniestock. Für die Stadel blieb die Innengerüstbauweise wesentlich länger erhalten als im Hausbau. 
Das neunfache Grundrissraster blieb jedoch meist prägend, wobei im 19. Jhdt. auch sechsfache Grundrisse bei Kleinbauern- oder Tagelöhnerhäusern entstehen, also ein Zeichen für das Haus einer ärmeren Sozialschicht sind. Auch heute noch ist dieser Grundriss in den Jurahäusern erkennbar. Er war funktional und erfüllte die zentralen Bedürfnisse bäuerlichen Wohnens und Wirtschaftens. 
Mit der Mauerung entstanden auch Gewölbe für Keller, aber v.a. für den offenen Rauchabzug in der Rußkuchl und für Ställe, zunächst als Tonnen-, später als böhmische Gewölbe. Keller sind seit 1379 nachgewiesen, allerdings damals noch mit Holzüberdeckung. 
Die Häuser waren meist Wohnstallhäuser. Waren die Ställe ursprünglich klein und in den Grundriss des Hauses integriert, wurden sie später in der Länge oder in Hakenform vergrößert, manchmal auch in Form eines weiteren Längsschiffes an das Haus angebaut. 


Typischer Grundriss eines Jurahauses. Tagelöhnerhaus aus Marienstein, Bauzeit 1365-68, Zustand nach 1550, im Freilandmuseum Bad Windsheim, aus: Bedal (1)

Lebensmittelpunkt: Die Stube 

Die Stube, die ab dem 16. Jhdt. meist gemauert war, wurde vom sog. "Höllofen" aus der Küche beheizt, der einen bauchigen Wasserkessel zur Warmwasserbereitung enthielt. Der "deutsche Kamin", ein offener Kamin, der die sog. Rußkuchl bedingte, wurde erst im 20. Jahrhundert, oft nach dem 2. Weltkrieg, durch den geschlossenen "russischen Kamin" ersetzt. Östlich von Dietfurt waren Kachelöfen üblich, westlich davon die gusseisernen Obereichstätter Plattenöfen, ab 1800 mit Kachelaufsatz. Die Stube hatte eine freie Mitte, mit umlaufenden Bänken, der Tisch stand in der Fensterecke. 
Die Decken wurden als Bohlen-Balken-Decken, als Lehmwickeldecken oder Bretterdecken mit oberseitigem Lehmschlag ausgebildet. Die Wände bestanden aus liegenden, ab 1500 aus stehenden Bohlen oder im späten Fachwerk aus Lehmgeflecht, bzw. aus Bruchsteinen.


Jurascheune, Bauzeit 1709, mit Schmuckfachwerk in Inching

 

Die schnörkellose Fassade 

Die Fassade wird durch die geringen Dachüberstände und die relativ kleinen, meist quadratischen Fenster bestimmt, die im späten 19. Jhdt. auch Segmentbögen aufwiesen. Um 1600 kam das vielfach verzierte Schmuckfachwerk auf, das auch farblich abgesetzt und von Gefachmalerei begleitet wurde. Eher ins 19. Jhdt. gehören die farblich abgesetzten Gesims- Eck- und Ortgangbänder sowie Fensterfaschen. Die verputzten Häuser hatten kräftige Farben in Ocker und Rot, später auch in Grün. Absolut typisch ist für das Jurahaus seine schnörkellose Fassade. Es gibt keine Balkone, keine Erker, keine Vor- und Rücksprünge. Die strenge Orientierung an der Funktion und die kubische Form, verstärkt durch die oft breit gelagerten, nahezu quadratischen Grundrisse, muten fast modern an. Zudem nimmt das Jurahaus in seiner Formensprache, in der Verwendung der Materialien und mit der Dachlandschaft die raue Juralandschaft auf.


Jurahaus von Siegfried Meixner, Hofstetten, Bauzeit 1757, Fassadengestaltung im Stil des 19. Jhdts.

Das steinerne Dach 

Das Dach ist das weithin sichtbare Kennzeichen des Jurahauses. Nach der Verlegung zunächst hellgelb, nimmt es mit den Jahren eine Patina in verschiedenen Grautönen an, die wie die Felsen der umgebenden Landschaft den Häusern ihr einmaliges Aussehen verleihen. Bei alten Dächern finden wir ganz eigene Bewuchsformen, darunter den weißen Mauerpfeffer, der das Überleben des seltenen Apollofalters ermöglicht. Die Dachneigung beträgt 25-35 Grad, der Durchschnitt liegt bei 27 - 30 Grad. 
Freilich dürfen wir heute das Kalkplattendach nicht mehr als Kriterium für die Denkmalwürdigkeit eines Gebäudes hernehmen, da die Steindächer in den vergangenen Jahrzehnten häufig durch billigere Konstruktionen ersetzt wurden. Zudem ist das Steindach heute wieder neu herstellbar, da sich durch die begonnene größere Wertschätzung der Jurahäuser wieder die Dachdeckkunst der Kalkplatten bei verschiedenen Handwerksfirmen etabliert hat. 
Die fünf- bis siebenfache Überdeckung bedingt ein Gewicht von 250 - 275 kg / qm, erreicht aber bei alten Dächern, die mehrfach ausgebessert und neu überdeckt wurden, bis zu einer Tonne, wie beim mittelalterliche Café Paradeis in Eichstätt, das 60 cm hoch gedeckt war. Im Vergleich dazu hat ein Biberschwanzdach ein Gewicht von 100 kg / qm. Das Steindach überdauert, wenn es regelmäßig unterhalten wird, Jahrhunderte. In Eichstätt erreichte ein Dach nachweislich ein Alter von 532 Jahren. 
Das hohe Gewicht macht starke Dachstühle erforderlich. Die Art der Dachdeckung ist einzigartig; die Schieferdeckung im Rheinland beispielsweise ist nur einfach und befindet sich auf Steildächern, die Stein gedeckten Flachdächer z.B. im Tessin weisen eine höchstens zweifache Deckung auf. 

Die Kalksteinplatten werden auf Harnickel aufgelegt, unregelmäßig gespaltene Rundhölzer, die das Abrutschen der Platten verhindern. Unterfüttert wird mit kleinen Abfallsteinen, die eigentlichen Dachplatten sind mindestens 30 cm lang. Sie werden so verlegt, dass bei 5-facher Deckung die letzte Schicht die erste immer noch überdeckt. Der Überstand beträgt 5 - 10 cm. Durch die Art der Verlegung entsteht eine gute Wärmedämmung, da die Masse der Steine sowie gewisse Luftkammern zwischen den Platten isolierend wirken. Heute wird man unter die Harnickel in der Regel eine wasserundurchlässige Schicht verlegen, um bei Wasserrückstau bei Frost das Eindringen von Wasser zu vermeiden. Kehlen können mit den Dachsteinen rund und weich eingedeckt werden. Dachrinnen waren früher aus Holz, Maueranschlüsse waren vermörtelt, später auch mit Brettern abgedeckt. Die meist geringen Dachüberstände entstanden entweder durch das Überstehen der Sparren auf der Traufseite und der Harnickel auf der Giebelseite, bei sehr geringem Überstand ließ man auch einfach die Kalkplatten überstehen. 

Die Zwicktaschen wurden 1828 durch den Glasermeister Josef Weittenhiller erfunden. Sie werden mit einer Schablone in Biberschwanzform gezwickt und an einem eingebohrten Loch über einen Nagel gehängt. Durch den damals bereits üblichen Transport mit der Bahn konnten sich die Zwicktaschen weit verbreiten, ein Dach findet sich sogar in der Nähe von Schweinfurt. Sie galten damals als billig, weil sie wie Ziegel nur doppelt - manchmal sogar nur einfach - gedeckt wurden, haben aber den großen Nachteil der fehlenden Wärmedämmung. Zudem brechen sie häufig. Deshalb wurden sie hauptsächlich auf Stadeln verwendet, im 20. Jdht. aus Kostengründen allerdings zunehmend auch für Wohnhäuser. Heute sind sie die wohl teuerste einheimische Dachdeckung. 

Seit 1960 sind die Kosten für die Steindächer beiderlei Art stetig gestiegen. Selbst bei instand gesetzten historischen Jurahäusern sieht man heute gelegentlich graue Betonsteine als Ersatz. Das Landratsamt Eichstätt hat mit Mitteln des Landkreises, des Bezirks Oberbayern und des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege in vorbildlicher Weise ein Jurahaus-Sonderprogramm zum Erhalt der steinernen Dachlandschaft aufgelegt, das die Mehrkosten eines Steindachs gegenüber einem Biberschwanzdach bezuschusst. Die Instandhaltung der Steindächer und der Jurahäuser ist nicht nur im Sinne des Erhalts der Orts- und Landschaftsbilder wichtig, sondern auch zur Bewahrung hochqualitativer Handwerkskunst. Und aus wirtschaftlicher Sicht führt der Einsatz eines Euro staatlicher Mittel in der Denkmalpflege zu ca. 10 Euro privater Investitionen, die fast ausschließlich ins mittelständische Handwerk fließen - eine Wirtschaftsförderung erster Güte. 

Juradach
Juradach 


Kalkplattendächer aus: Eichiner (5)


Zwicktaschen aus: Eichiner (5)

Stadel und Nebengebäude 

Die Scheunen waren fast stets eigenständige Gebäude, die mit zunehmenden landwirtschaftlichen Erträgen immer wichtiger wurden und an Größe häufig das Wohnhaus überragten und damit immer mehr Ortsbild prägend wurden. Durch wenige Fensteröffnungen wirken sie besonders wuchtig. Sie haben die gleichen Konstruktionsmerkmale wie die Wohnhäuser, mit häufig quadratischem Grundriss und Kniestock. Die Tenne diente der Beschickung und hier wurde gedroschen, die anschließenden Seitenschiffe und der Kniestock (das Gobret) der Lagerung. Später waren Ställe oft in die Stadel eingebaut. Neben wirtschaftlichen Zwecken hatten die Scheunen auch repräsentative Funktionen, demonstrierten sie doch den Wohlstand der Besitzer. 
Weitere Nebengebäude waren Korbhäuser, die wohl ursprünglich als Getreidekasten dienten und später als Austragshäuser; außerdem Backöfen und Außenkeller, die ebenfalls mit Stein gedeckt waren. 

Nahezu alle beschriebenen Konstruktionsmerkmale sind - abhängig von Erbauungszeit, Nutzung und Erhaltungszustand und in unterschiedlicher Anzahl - auch heute noch in den Jurahäusern zu finden und machen ihre eindeutige Kennzeichnung aus. 

Agenda - was ist zu tun? 

Der Jurahausverein verfolgt keinerlei wirtschaftliche Interessen und arbeitet ausschließlich ehrenamtlich. In diesem Rahmen haben wir wichtige Impulse für die touristische Inwertsetzung des Jurahauses gesetzt. Entscheidende weitere Schritte müssen nun auch von beruflich damit befassten Personen und Institutionen unternommen werden. 


Nutzungsmöglichkeiten: 

Eine Nutzung der Jurahäuser und -stadel für touristische Zwecke ist nicht nur möglich, sondern bietet sich geradezu an. Überall suchen Touristen das Unverfälschte, das Ursprüngliche, das Einzigartige, das Besondere. Aus touristischer Sicht sind u. E. mehrere Aspekte wichtig, die dem Jurahaus und seinen Stadeln eine entsprechende Nutzung bringen können.

Gastronomische Nutzung 

Die Nutzung von Jurahäusern und Jurastadeln als Gaststätten und Übernachtungsbetriebe ist dort, wo sie praktiziert wird, äußerst erfolgreich. Als Positivbeispiele seien hier nur das Café "Im Paradeis" in Eichstätt, der "Moierhof" in Walting, der Gasthof "Stern" in Beilngries, der Landgasthof "Stirzer" in Dietfurt und das Wirtshaus in Matting genannt. Daneben werden vor allem kleine Jurahäuser als Ferienwohnungen vermietet, so z.B. in Unteremmendorf durch den Markt Kinding, und Jurastadel zu Fahrradgaragen etc. umfunktioniert, wie z.B. beim Landgasthof Meyer in Enkering. Diese Angebote sind noch erheblich ausweitungsfähig, eine stimmige Werbung mit dem "Produkt" Jurahaus vorausgesetzt. 


Café Im Paradeis, Eichstätt. Im Kern 1311, Vorderteil barockisiert, gotischer Teil mit Kalkplattendach

Museale Nutzung 


Das Jurahaus als Kulturgut zieht vor allem kulturinteressierte Touristen an. Diese wollen sich über das Besondere dieser Häuser auch informieren. Bisher existieren lediglich zwei Museen in einem Juraanwesen, das Karlsgrabenmuseum in Graben bei Weißenburg und das Bauernhofmuseum in Hofstetten, aber mit anderem inhaltlichen Schwerpunkt. Für eine museale Nutzung bieten sich Juragebäude an, die bereits in ihrer Bausubstanz Ausstellungsgegenstand sein können. Einige Planungen hierfür existieren bereits, brauchen allerdings die Unterstützung der kommunalen Entscheidungsträger und des Naturparks Altmühltal. Bei diesen Einrichtungen wird es weniger um die Erreichung riesiger Besucherzahlen gehen, als um die notwendige Ergänzung eines kulturellen Angebots, das sich mittelbar auf die Attraktivität des Naturparks auswirkt, der ja auch kulturelle Schwerpunkte setzen soll. Zudem ist eine wissenschaftliche Darstellung des Themas notwendige Ergänzung zu touristischer Nutzung, so wie ja auch der Naturpark von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen z.B. über die Landschaft prägenden Trockenrasen profitiert. Der Jurahausverein hat mit dem Erwerb des Handwerkerhauses Rotkreuzgasse 17 in Eichstätt, im Kern vermutlich vor dem 30jährigen Krieg erbaut, die Weichen für ein Jurahausmuseum in Eichstätt gestellt.

Die Hauslandschaft als ästhetischer Aspekt 

Das Jurahaus wird sich nur als touristische Attraktion etablierten lassen, wenn Touristen es auch in der Landschaft wiederfinden. Es muss deshalb als Hauslandschaft Bedeutung gewinnen. Nur bei oberflächlicher Betrachtung erscheinen die Jurahäuser als Einzelobjekte. Tatsächlich gibt es eine Reihe von Ensembles, angefangen bei den Eichstätter Vorstädten Buchtal, Kugelberg, Antonistraße, Frauenberg und dem Siechhof über die zahlreichen Jurahäuser in der Stadt Dietfurt bis zu den beeindruckenden Häusern in Matting und Oberndorf in den Landkreisen Regensburg und Kelheim, um nur wenige Beispiele zu nennen. Diese müssen für Touristen erkennbar gemacht werden. Von der Ausschilderung am Altmühlradweg bis zu entsprechenden Hinweisen für Autotouristen, die sich auch sehenswerte Ensembles auf der Hochfläche erschließen können, von der Information im Internet bis hin zu Prospekten und Plänen, die an einschlägigen, von Touristen angesteuerten Orten ausliegen, muss hier eine Strategie entwickelt werden, die die noch verborgenen Schätze sichtbar macht. Die Auswahl der Präsentation muss sich dabei auf typische und vorbildlich instandgesetzte Jurahäuser und -stadel richten; ein Schneeballeffekt für die Instandsetzung weiterer Häuser ist unbedingt zu erwarten. 

Maßnahmen 

Die Kommunalpolitik 

Die Kommunalpolitik muss Verantwortung für den Erhalt der Jurahäuser übernehmen. Allzu oft schaut man tatenlos jahrelanger Verwahrlosung zu und zieht sich auf juristische Begründungen zurück, warum man sich in den fortschreitenden Verfall nicht einmischt. Politiker müssen den Wert der Jurahäuser thematisieren und ihren Willen deutlich machen, diese zu erhalten. Die Stadt Ingolstadt hat vorgemacht, wie sie mit einem erfolgreichen Leerstandsmanagement Besitzer historischer Gebäude in der Innenstadt zur Instandsetzung bringt. An erster Stelle muss hier die aktive Beratung stehen, die nicht erst bei Abbruchanträgen auftaucht oder sich gar auf eine juristische Reaktion beschränkt. Der neue Stadtbaudirektor Eichstätts, Albert Dischinger, unternimmt bereits die ersten Schritte in die richtige Richtung. 
In diesem Zusammenhang hat der Jurahausverein vor Jahren eine Gestaltungssatzung für Eichstätt angeregt, die nun seit geraumer Zeit allerdings lediglich als Entwurf vorliegt. Da nur wenige Jurahäuser denkmalgeschützt sind, muss die Stadt hier ihren Gestaltungswillen deutlich machen. Wir erwarten eine zügige Umsetzung des Entwurfs. 
Vor allem die Landkreise Weißenburg-Gunzenhausen, Neumarkt, Kelheim und Regensburg müssen dem positiven Beispiel des Landkreises Eichstätt folgen und ein Jurahaussonderprogramm auflegen, mit dem die Mehrkosten eines Kalkschieferdaches gegenüber einem Biberschwanzdach bezuschusst werden. Bisher verschwinden in diesen Landkreisen selbst bei gut instandgesetzten Jurahäusern die Legschieferdächer, weil sie den Besitzern zu teuer sind. Als prägendes Merkmal der Jurahäuser und -stadel müssen sie aber erhalten werden. 
Nicht zuletzt müssen die einzelnen Kommunen bereit sein, die touristischen Konzepte auch finanziell zu unterstützen, da sie ja auch von einem verbesserten touristischen Angebot profitieren. Aufgabe der Landräte ist es, hier Überzeugungsarbeit zu leisten. 

Der Naturpark 

Im Tourismuskonzept des Naturparks kamen Jurahäuser bisher nicht vor. Erste Ansätze für eine Landkreise und Regierungsbezirke übergreifende Konzeption, wie die Jurahäuser als touristisches Potenzial in das Bewusstsein der Bevölkerung gerückt werden können, gibt es nun im Rahmen des europäischen LEADER-Programms. Der Naturpark muss hier wichtige Koordinierungsfunktionen übernehmen. Die ersten Schritte dazu hatte der Jurahausverein bereits vor zwei Jahren mit dem Landkreis Kelheim unternommen, um im Rahmen dieses Programms Zuschüsse für die touristische Inwertsetzung der Jurahäuser zu realisieren, der Kulturverein Hemau macht Ähnliches für den Landkreis Regensburg. Es existieren genügend gut instandgesetzte Jurahäuser, um schnell eine touristische Präsentation zu ermöglichen, die in einem Schneeballeffekt zur Verbesserung der Attraktivität der Ortsbilder und zu weiterer touristischer Nutzung von Jurahäusern führen wird.

Tradition und neue Wege 

Unser Schwerpunkt ist nach wie vor die Erhaltung der Hauslandschaft. Als Denkmalschutzverein ist uns jedes einzelne Objekt wichtig. Neben traditionsreichen Methoden der Öffentlichkeitsarbeit und der Beratung, die seit langem das Kerngeschäft des Jurahausvereins sind, haben wir neue Wege beschritten, um für unsere einmalige Baukultur zu sensibilisieren. Dazu gehören vor allem der Erwerb des Hauses Rotkreuzgasse 17 in Eichstätt zur Einrichtung eines Jurahausmuseums sowie unsere Initiative zur touristischen Inwertsetzung der Jurahäuser. 
An unserer jährlichen Besichtigungsreihe "Tage der offenen Jurahäuser", die jeweils schwerpunktmäßig im Mai und Juni stattfindet und nunmehr zum 13. Mal stattfindet, nehmen nicht nur sanierungswillige Bauherren teil, sondern immer wieder auch Touristen, von denen wir oft Rückmeldungen per Mail bekommen und die sich beeindruckt von der Wohnatmosphäre in einem Jurahaus zeigen. Ähnlich verhält es sich mit unserer Benefizreihe "Musik an alten Orten", bei der normalerweise nicht öffentlich zugängliche historische Gebäude als Veranstaltungsorte dienen. In Workshops zu alten Handwerkstechniken helfen wir Sanierungswilligen, das nötige technische Wissen zu erwerben und Geld zu sparen. In unserem künftigen Jurahausmuseum in Eichstätt werden typische Merkmale des Jurahauses ebenso vermitteln wie die Sozialgeschichte seiner Nutzung. 
Wir stehen in Kontakt mit den Stadtführern in Eichstätt, die die Jurahäuser in ihre Führungen aufgenommen haben, und haben für diese eine Fortbildung durchgeführt. Über unser jährlich erscheinendes Heft "Das Jurahaus" geben wir zahlreiche positive Beispiele für gelungene Instandsetzungen und Nutzungen. 

Was bringt die touristische Inwertsetzung der Jurahäuser für die Erhaltung der Jurahauslandschaft? 

Studien des Touristik-Lehrstuhls der Universität Eichstätt, Prof. Harald Pechlaner, haben ergeben, dass die Wertschätzung einheimischer Baustile in der Bevölkerung umso höher ist, je mehr dieser von Touristen wahrgenommen und geschätzt wird. Offenbar ist das Auge des Fremden ein Focus, der den eigenen Betrachtungswinkel auf das Vertraute und scheinbar Selbstverständliche schärft und verbessert. Zudem tut sich für viele Besitzer von Jurahäusern auch eine wirtschaftliche Nutzung ihres Hausbesitzes auf. Und mit der öffentlichen Diskussion, die Prof. Pechlaner mit der 19. Tourismustagung im Frühjahr 2008 zu dem Thema angestoßen hat, ist das Thema endgültig bei Funktionsträgern angekommen und die Notwendigkeit evident, Besitzer von Jurahäusern zu sensibilisieren. Hatten doch Tourismusfachleute aus dem Ausland bei dieser Tagung ihr Unverständnis formuliert, warum denn so ein einmaliger Baustil im Altmühltal ein Schattendasein friste. 

Eva Martiny 

Quellen und weiterführende Literatur

  1. Konrad Bedal: Bäuerlicher Hausbau im Altmühlgebiet, in "Bauernhäuser in Bayern, Oberbayern, Band 1", auch in: Das Jurahaus Nr. 8
  2. Konrad Bedal: Bauernhäuser aus dem Mittelalter, in: Das Jurahaus Nr. 6
  3. Konrad Bedal: Ländlicher Hausbau zwischen Regensburg und Eichstätt, in: Das Jurahaus Nr. 2
  4. Walter und Wolfgang Kirchner, Hausbau im Mittelalter, in: Das Jurahaus Nr. 7 Spurensuche vor der Zerstörung, in: Das Jurahaus Nr. 3
  5. Otto Eichiner : Das Legschieferdach - einfach nur ein Dach? Nachdruck in: Das Jurahaus Nr. 12
  6. Erich Wieser: Bauernhöfe unter dem Legschieferdach der Altmühlalb, Nachdruck in: Das Jurahaus Nr. 1
  7. Agnes Martiny : Das Altmühl-Jurahaus - Gesellschaftliche Struktur und Haustyp, auf der Internetseite des Jurahausvereins
  8. Heinrich Ullmann: Das Kalkplattendach im Altmühlgebiete, 1919, als Nachdruck im Heft "Passion Jurahaus" beim Jurahausverein erhältlich
  9. Walter Plötzl: Zur Geschichte der Bauern- und Bürgerhäuser (vor 1800) im Gebiet der Altmühlalb, in: Das Jurahaus Nr. 10
  10. Johannes Geisenhof: Die ländliche Baukultur, in: Das Jurahaus Nr. 9
  11. Siegfried Bauer, Christiane Harst: Reaktivierung von Leerständen in der Altstadt Ingolstadt, in: Das Jurahaus Nr. 14.
  12. Eva Martiny: Wir vernetzen uns, in: Das Jurahaus Nr. 14
  13. Eva Martiny: Aschenputtel in Wartestellung - Mächtige Jurastadel warten auf Nutzung, und: Die Geheimnisse der Lila Villa, in: Das Jurahaus Nr. 13
  14. Jurahausverein: www.jurahausverein.de



Die Jurahaushefte ab Heft 3 sowie der Ullmann-Nachdruck sind in der Geschäftsstelle des Jurahausvereins, Museum "Das Jurahaus", Rotkreuzgasse 17, 85072 Eichstätt, erhältlich. Heft 1 und 2 sind vergriffen, sind aber auf unsere Internetseite gestellt.

 

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